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oder: Ich dachte ich würde etwas lernen, was im Verhältnis zu 10 Monaten steht.
Wehrdienst - Ein Erfahrungsbericht von Jan Kretschmer
Die folgenden Zeilen beinhalten den Erfahrungsbericht über meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr, den ich im Zeitraum November 2000 bis August 2001 bei der Luftwaffe abgeleistet habe.
Sämtliche getroffenen Aussagen stellen ausschließlich meine persönliche Meinung dar, die ich aufgrund der Ereignisse und Erfahrungen während meines Wehrdienstes gebildet habe und nun in diesem Bericht zusammenfassen und kundtun will.
Gliederung Erfahrungsbericht
Teil 1 - Vorneweg gesagt
Teil 2 - Die Grundausbildung
Teil 3 - Erweiterte Grundausbildung
Teil 4 - Standort Kemel
Teil 5 - Ärztliche Versorgung
Teil 6 - Arbeitsmoral
Teil 7 - Finanzen
Teil 8 - Vorgesetzte
Teil 8.5 - Revierreinigen
Teil 9 - Verbesserungsvorschläge
Teil 10 - Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit
Teil 11 - Presseessenz
Teil 12 - Abschließend
Vorneweg gesagt
Meine Entscheidung, den Wehrdienst dem Zivildienst vorzuziehen, ist am Ende der Mittelstufe gefallen. Zum damaligen Zeitpunkt, mit 16 Jahren, wurde ich zu einem kostenlosen und unverbindlichen Truppenbesuch nach Sigmaringen zu den Fernmeldern eingeladen, dort bin ich auch das erste (und einzige) Mal in einem Panzer mitgefahren. Recht beeindruckt und von den kostenlosen Hochglanzmagazinen, die regelmäßig in meinem Briefkasten landeten bestärkt, sah ich in der Bundeswehr eine Herausforderung mit vielversprechendem Action-Faktor. Ich freute mich darauf, nach dreizehn Jahre Schule endlich loszulegen, es der Familie und den "verweichlichten" Kumpels mal so richtig zu zeigen.
Man kann also sagen, dass ich keineswegs mit zweifelnder Stimmung meinen Wehrdienst angetreten habe, im Gegenteil, ich war gespannt auf das, was mich erwartete, was "mein Dienst fürs Vaterland" wohl beinhalten würde.
Ende Teil 1 - Seitenanfang
Die Grundausbildung
[Über die Grundausbildung habe ich bereits zu deren Abschluss einen separaten Erfahrungsbericht verfasst. Meine Erfahrungen aus der Grundausbildung kann man im Internet auf meiner Homepage nachlesen. Zwei Punkte, die jedoch in den weiteren Dienst hinein Wirkungen auf mich ausübten (Einplanung und Kommunikation), möchte ich hier anbringen.]
Aus dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten:
"Während des Wartens auf die Einstellungsuntersuchung ließen aufsichtsführende Gruppenführer ihre Rekruten im "Rührt euch" stehen, so dass sie sich teilweise stundenlang praktisch nicht bewegen durften. Diese Vorgesetzten begründeten ihre Maßnahme damit, dass den Rekruten militärische Disziplin und Ordnung beigebracht werden sollte. Hier bediente man sich bei der Ausbildung nicht nur eines untauglichen Mittels. Nach einer solchen Schikane und Quälerei wird die Einsicht in die Notwendigkeit militärischer Disziplin nur noch schwer zu vermitteln sein."
"Ein Grundwehrdienstleistender, der ein Staatsexamen in Englisch abgelegt und neben mehrfachen Auslandsaufenthalten auch als Dozent für Wirtschaftsenglisch bereits praktische Erfahrungen vorzuweisen hatte, war in einer Nachschubkompanie zum Auspacken von Ersatzteilen eingesetzt."
Grundausbildung 4./LAR1 in Budel November 2000: Ein Offizier aus Köln-Wahn kam eigens nach Budel angereist, wir mussten lange anstehen bis wir an zur "persönlichen Einplanungsbesprechung" aufgerufen wurden (Warten größtenteils im Stillgestanden!). Im Vorfeld der Einplanung wurden wir bereits mehrfach belehrt über häufige Fragen - prinzipiell keine schlechte Idee um den Ablauf effektiver zu gestalten. Leider wurden wir schon zu diesem Zeitpunkt offenbar bewusst belogen. So erzählte uns dieser Offizier, dass Bw-Führerscheine grundsätzlich nicht mehr überschrieben werden können! Dies ist nachweislich NICHT der Fall (Ich bin dafür das beste Beispiel).
Das persönliche Einplanungsgespräch lief dann so ab: Ich musste unaufgefordert meinen Namen sagen und auf einer Deutschlandkarte zeigen, wo mein Wohnort ist. Darauf hin sagte mir ein Unteroffizier aus dem Einplaner-Gefolge: "Sie kommen nach Kemel als B7 M6. Rufen Sie bitte den nächsten herein."
Das Warten hatte sich gelohnt....sehr persönlich.
Nun hatte ich also ein kopiertes Formular, wo mit Bleistift Verwendung und Stammeinheit eingetragen waren. Keine Unterschrift, kein Stempel - ich hatte im Prinzip genauso viel wie wenige Minuten zuvor. Von Kameraden erfuhr ich, dass B7 M6 wohl etwas mit der Fahrbereitschaft zu tun hat. Trotzdem war ich sehr erfreut darüber, dass alles so gut geklappt hatte. Wenige Tage vor der Abschleusung erhielt ich dann aus Kemel ein mehrseitiges, kopiertes und unpersönliches Schreiben ausgehändigt, wo einige Informationen über Kemel und die FlaRakGrp 42 aufgeführt wurden. Dies ist eine sehr gute Idee, optimal wäre allerdings eine persönliche Adressierung.
Da die erweiterte Grundausbildung in Schöneck durchgeführt wurde war es recht kompliziert, mit Kemel und der 5. Staffel in Kontakt zu kommen. Ich war nach einigen Erfahrungen mit der Bw misstrauisch geworden und wollte nun mal nachfragen, als was ich denn nun wirklich eingeplant sei. Ein Trauerspiel nahm seinen Lauf.
Zuerst wurde ich mit der Frage "Was passiert mit mir nach der erweiterten Grundausbildung?" ständig an andere Soldaten verwiesen. Auf dieses Spielchen hatte ich schnell keine Lust mehr und begann, den für unsere Zuschleusung verantwortlichen Feldwebel X gezielt und konsequent zu befragen. Scheinbar war es äußerst kompliziert für ihn, eine Antwort auf meine Frage zu erhalten. Erst nach mehreren Tagen, nachdem er mehrfach seine Unmut über meine Fragen kundtat, kam er stolz mit der vermeintlichen Antwort daher: 100/11
Ich konnte es kaum glauben: Diese Zahl war so schwierig zu bekommen?
Der zweite Gedanke war nicht besser: Was sollte ich mit dieser Zahl anfangen?
Ich ließ mich jedoch nicht beirren, fragte weiter. Nachdem ich - langsam wirklich verärgert über diese Situation - beim Staffelchef Offizier X nachfragte erhielt ich plötzlich den Auftrag, doch mal beim Personalunteroffizier nachzufragen. Ich wusste zuvor nicht, dass ein solcher existiert.
Eine Telefonnummer hatte natürlich niemand. Nach weiterem Herumfragen hatte ich schließlich den Personalunteroffizier am Telefon, dieser antwortete auf meine Frage "Was passiert mit mir nach der erweiterten Grundausbildung?" mit der bereits hinlänglich bekannten 100/11 antwortete.
Als ich dann fragte, was ich mir denn unter dieser ominösen Zahl nun vorstellen sollte, wurde es wieder ungenau: "Oh!.... Hmm... Fahrbereitschaft.... würd' ich sagen. Sicher ist das aber nicht."
Aha!
Resignierend fand ich mich mit dieser Antwort ab, den wer sonst als der Personalunteroffizier sollte es denn wissen?!
Wenige Tage später, in Kemel angekommen, rief mich mein neuer Staffelchef Offizier Y zu sich.
Mit dem Glauben, jetzt zusammen mit Kamerad M. und Kamerad W. in der Fahrbereitschaft zu landen, eröffnete mir Offizier Y, dass drei Posten zu besetzen seien: "Nachschub, Koffeeshop und Geschäftszimmer."
Das passte.
Wie die Faust aufs Auge.
Einplanung - eine trauriges Beispiel für die Fähigkeit, trotz umständlichster Verwaltung nichts zustande zu bringen.
Ich will nicht abstreiten, dass ich mich im Geschäftszimmer wohl gefühlt habe, und möchte mich auch beim Staffelchef Y dafür bedanken, dass wir immerhin zwischen diesen drei "Dienstposten" auswählen konnten und dass der Führerschein doch noch klappte. Allerdings ist noch heute mein Unmut über diese "Einplanung" sehr groß; und da sich bei der Bundeswehr niemand dafür verantwortlich fühlt, muss ich, um dies verarbeiten zu können, diese Unmut privat und öffentlich kundtun.
Ende Teil 2 - Seitenanfang
Erweiterte Grundausbildung in Schöneck
Vom 02.01.01 bis zum 24.01.01 durchlief ich die "Erweiterte Grundausbildung" in der 6./42 in der Nidder-Kaserne in Schöneck.
Zweck dieser gut drei Wochen sollte wohl die Vertiefung, Wiederholung und Erweiterung der "Fähigkeiten" sein, die wir in der Grundausbildung erlernten.
Allerdings frage ich mich, warum die Grundausbildung auf von 3 auf 2 Monate verkürzt wurde, wenn wir gleich danach doch noch ein Monat Grundausbildung haben.
Außerdem war die erweiterte Grundausbildung - von den praktischen Übungen einmal abgesehen - für den Großteil, mich eingeschlossen, ziemlich überflüssig. Eigentlich hätte ich schon Anfang November, also zu Anfang meines Wehrdienstes, ins Geschäftszimmer gehen können.
Benötige ich als Geschäftszimmer-Soldat, der höchstens mal Wache macht, eine Ausbildung am MG?
Immerhin war der Umgangston in Schöneck menschlicher als im völlig abgedrehten LAR1.
Meiner Meinung sollte die Grundausbildung gleich wieder auf 3 Monate ausgedehnt werden, dann könnte man wirklich Aufwand (Verwaltung, Reise etc.) und damit Kosten sparen.
Erwähnen muss ich, dass die Kommunikation zwischen 4./LAR1, Kemel und Schöneck mangelhaft war. So habe ich die Kommandierung von 4./LAR1 nach Kemel im Februar (!) das erste Mal gesehen (über sechs Wochen noch der Reise vom 4./LAR1 nach Kemel) und es war den Soldaten der FlaRakGrp 42 nicht möglich, innerhalb der drei Wochen, die ich in Schöneck war, die Bekleidungsstammkarten zu schicken, dies obwohl täglich ein Kurierfahrer die Strecke Kemel-Schöneck fährt und wir täglich auf diesen Missstand hinwiesen.
Dies wiederum bedeutete, da wir ohne Bekleidungsstammkarte nicht mal ein Paar Socken ausgehändigt bekommen, dass wir bei großer Kälte ungenügenden Kälte- und teilweise überhaupt keinen Nässeschutz während der Ausbildungsinhalte hatten!
Bis zum Ende meines Wehrdienstes habe ich weder geeigneten Nässeschutz noch eine Trinkflasche noch ABC-Schutzausstattung erhalten! Interessant wäre es sicherlich geworden, wenn ich oder ein Kamerad dadurch zu Schaden gekommen wäre. Die sich anschließende Klage hätte 100% ein außerordentliches Medieninteresse nach sich gezogen.
Ende Teil 3 - Seitenanfang
Positive Erfahrungen am Standort Heidenrod - Kemel
Ich möchte betonen, dass ich froh bin, in Kemel meinen Wehrdienst abgeleistet zu haben.
Da ich von meinen 9 Monaten die ich aktiv im Dienst war knappe 5 Monate externe Ausbildung gemacht habe (Grundausbildung, erweiterte Grundausbildung, Führerschein) habe ich auch andere Kasernen kennengelernt, die mir weniger zugesagt haben.
Toll war in Schöneck die Sauna, die ich damals als Kasernenpflichtiger oft benutzt habe.
Wenn ich von ehemaligen Klassenkameraden höre, die beim Heer gedient haben, welche Erfahrungen sie dort gemacht habe, bin ich froh bei der Luftwaffe gelandet zu sein.
Ende Teil 4 - Seitenanfang
Ärztliche Versorgung
Ich bin jemand, der äußerst selten zum Arzt geht. Vor der Bundeswehr war ich das letzte mal in der 6. Klasse beim Arzt. Während meines Wehrdienstes war dies etwas anders als all die Jahre zuvor. Erstens wurde ich in der Grundausbildung ziemlich kaputt gemacht (Hüfte) was mehrere Untersuchungen, auch im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, nach sich zog. Die Qualität der Diagnose war leider nicht sehr toll, nachdem ich erst in der Unfallambulanz (die Beschwerden in der Hüfte hatte ich seit zwei Monaten!) gelandet war und dann in der Orthopädie, hörte ich die Diagnose Muskelreizung in der Leiste/Oberschenkel (Adduktorenreizung).
Der (zivile) Krankengymnast, der dagegen eine Massage verabreichen sollte, renkte dann erst mal den Lendenwirbel wieder ein, der seit zwei Monaten rausgerutscht war...
Außerdem provoziert das System den häufigen Arztbesuch. Ohne Status kommt man bei den meisten Dienstgraden nicht um Erleichterungen vorbei, meiner Meinung nach wäre es wesentlich effektiver (umkomplizierter und billiger) beispielsweise bei einer Erkältung, die sowieso nach zwei Tagen zurückhaltender Lebensweise verschwindet, einfach den Soldat von Diensten ("eigenes Ermessen") befreit die seiner Gesundheit nicht zuträglich sind, dabei jedoch nicht pauschal Außendienst befreit, womit schon das Ausladen eines Kfz verboten ist.
Bei der momentanen Regelung wird jedoch jeder Soldat animiert, so oft als möglich zur Sanitäts-Staffel zu gehen um dort den pauschalen Status zu erlangen - sehr bequem für den Soldaten und sehr teuer für den Dienstherrn.
Ende Teil 5 - Seitenanfang
Arbeitsmoral
Herr Obergefreiter, wie verhalten Sie sich, wenn das Kommando ertönt: "Freiwillige vor?"
"Ich trete zur Seite, damit die Freiwilligen vorgehen können!"
Um es gleich vorneweg zu sagen; der GAU der Bundeswehr wäre meiner Meinung nach, wenn plötzlich eines Tages alle Arbeiten erledigt wären.
Da dies scheinbar unter allen Umständen verhindert werden soll (?) wird die "Arbeit" in Form von Beschaffungsmaßnahmen gestreckt. Die Arbeitsmoral ist grundsätzlich eher auf niedrigem Niveau.
(Eines von vielen grandiosen "Arbeitserlebnissen": Sauna schmirgeln, natürlich mit feinem Sandpapier, dauert dies doch am längsten)
Dabei wurde ich in der Regel durch "Nehmen Sie sich die Zeit die Sie brauchen" ermuntert, mir Zeit zu lassen. Die Qualität war dabei in der Regel nicht von großer Bedeutung.
Wichtige Aufgaben (Wartung, Akten) werden dabei oft aufgeschoben oder aufgrund der ständig auftauchenden Zuständigkeitsfragen liegengelassen, die dann am Ende - meistens kurz bevor eine Überprüfung durch Dritte ansteht - ganz schnell bearbeitet werden müssen, natürlich fällt dem Vorgesetzten so etwas grundsätzlich erst 5 Minuten vor Dienstschluß ein.
Stichwort Dienstschluß: Wenn aufgrund längeren Dienstes am Vortag der Start ins Wochenende ausnahmsweise mal 2 Stunden vorverlegt wurde, ist natürlich genau dieser Tag optimal geeignet auf die Suche nach etwas zu gehen, was schon lange nicht mehr gesehen wurde, zum Beispiel Gleitschutzketten. Die werden, welch eine Überraschung, natürlich nicht gefunden, so dass der frühere Dienstschluß dann gleich wieder ausfällt.
Aufgefallen ist mir auch, das Soldaten zu Zeiten mit der meisten Arbeit kollektiv in den Urlaub gehen. Dann passiert es halt, dass der Posten des Diensteinteilers mal so ein, zwei Wochen nicht besetzt ist. Dass alle drei Vertreter in diesem Zeitraum auch nicht im Dienst sind, ist dann schon logisch.
Ich wurde während meiner Dienstzeit mehrfach mit dem Argument konfrontiert, meine Kritik würde von keiner Firma akzeptiert werden. Dem kann ich nur entgegen halten, dass es keine Firma auf dieser Welt gibt die vergleichbare Rahmenbedingungen aufweist. Beispiel Kommandierung; welche Firma kann es sich erlauben Mitarbeiter über ihre unmittelbar bevorstehenden Fortbildung im Unklaren zu lassen. Ich wusste selbst in der erweiterten Grundausbildung nicht was ich in meiner Stammeinheit machen würde, und keiner, wirklich keiner konnte es mir sagen! Selbst der Personalunteroffizier nicht ("das entscheidet der Chef")!
Wenn ich gewusst hätte, dass statt des vom Wehrdienstberaters versprochene Kraftfahrauftrages die Auswahl zwischen Nachschub, Coffee-Shop und Geschäftszimmer (dies sind ohne Witz "Dienstposten", man wird dort "auf den Dienstposten verwendet", diese Bezeichnung an sich ist schon ein passiver Ausdruck und das beschreibt auch die Arbeitshaltung der Soldaten recht treffend) stehen würde, hätte ich vermutlich noch während der erweiterten Grundausbildung sehr intensiv über eine nachträgliche Verweigerung nachgedacht.
Heute stehen mir nämlich deutlichst die enormen Vorteile des Zivildienstleistenden vor Augen, da ich intensive Kontakte (Freundeskreis) zu Zivis habe. Diese können ihre Überstunden abfeiern, (wenn ich überlege wie viele Überstunden ohne Ausgleich ich allein in der Grundausbildung gemacht habe (Formaldienst bis 22 Uhr, Geländetage, Übungen) hätte ich locker zwei Wochen mehr Urlaub gehabt. Des weiteren kann sich der Zivildienstleistende, wenn er sich darum kümmert, auch selber seinen Platz aussuchen. Bei der Bundeswehr wurden mir von Anfang an (Musterung), von der Standortwahl einmal abgesehen, ausschließlich leere Versprechungen gemacht (Funker!). Noch dazu können Zivildienstleistende, wenn sie wollen, sinnvolle Arbeiten machen. Ich jedoch habe nun einige Monate meines Lebens mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verbracht, die meinem Land - von den Kosten für Verpflegung, Kleidung und Wehrsold einmal abgesehen- nichts gebracht haben.
Immerhin, ein landläufiger Spruch ist ja, dass der Wehrdienst des Mannes die Schwangerschaft der Frau ist.
In diesem Punkt kann ich dann schon zustimmen, selten zuvor hatte ich so viele Unannehmlichkeiten wie bspw. die Geländetage/Übungen in der Grundausbildung bei 2 Grad über dem Gefrierpunkt und Dauerregen im Alarmposten...
Des weiteren wurde mir nie zu verstehen gegeben, ich sei - vom Torposten einmal abgesehen und damit grandios billiger Wachmann - in irgendeiner Form wichtig für die Bundeswehr, für den Standort, in meiner Funktion etc.
Auch darin erkenne ich, wie unnötig selbst meine direkten Vorgesetzen mich als Wehrdienstleistenden sehen.
Sie begreifen nicht, dass Wehrdienstleistende nicht nur Wehrdienst-Leistende sondern eben auch Wehr-Dienstleistende sind. Meine Dienstleistungen werden als selbstständig hingenommen, Eigeninitiative und Selbstständigkeit eher abgelehnt als begrüßt und auf Details wird unnötig viel Energie verschwendet.
Beispiel: Kommt ein Wehrdienstleistender oder SaZ wenige Minuten zu spät zum allmorgendlichen Antreten, fällt das sofort auf und die Standpauke folgt sogleich. Wenn man aber pünktlich da ist und den ganzen Tag trotzdem nichts tut, geht das problemlos durch. Mit dieser Realitätsverzerrung kann ich mich nur schwer abfinden.
Das zeigt mir auch, dass nach Außen hin dem Anschein nach alles in Ordnung sein soll und dies in der Realität nicht der Fall ist; die sprichwörtliche gute Miene zum bösen Spiel.
Diese Erfahrung deckt sich aber mit einem Grundsatz mit dem ich die Bundeswehr so gut als möglich hinter mich gebracht habe: Im richtigen Moment unauffällig bleiben. Das bedeutete konkret für mich, immer pünktlich anzukommen, immer alles schön melden, Befehle - egal ob Sinn oder Unsinn - zu befolgen, immer schön dezent bei unnötigen Aufgaben abwesend oder besser noch "unabkömmlich" zu sein. Ich habe nämlich schnell bemerkt, dass man für kleine, lapidare Vorkommnisse mit unverhältnismäßigen Strafen belegt wird.
Beispiel Kamerad X.: Er fährt nach einem Autounfall am Wochenende gemäß Anweisung "Ärztliche Versorgung außerhalb der Dienstzeiten" nach Koblenz ins Bundeswehrzentralkrankenhaus. Dort wird u.a. ein Schleudertrauma diagnostiziert, woraus eine "bedingte Transportfähigkeit" resultierte. Da Kamerad X. nun sich nicht in der Kaserne meldete, sondern sich gemäß Bundeswehrarzt einen Tag auskuriert, wird er mit Ausgangssperre und den daraus resultierenden finanziellen Einbußen drastisch bestraft, da er ja offiziell noch transportfähig gewesen wäre und er sich somit in Kemel in einer leeren Kaserne (kein Arzt) hätte melden müssen.. Selbst wenn er gekommen wäre, hätte es einen Unterschied gemacht, ob er hier in der Sanitäts-Staffel oder daheim im Bett liegt ? Dafür habe ich kein Verständnis, wäre mir dies passiert hätte ich diese Strafe nicht hingenommen.
Die Bundeswehr verschafft sich meiner Meinung nach also nach dem Zuckerbrot und Peitsche-Prinzip Respekt:
Verhält sich der Soldat ruhig und unauffällig, kann der den ganzen Tag relaxen. Wird er jedoch auffällig, wird er sofort bestraft.
Ich finde es traurig, dass es nicht die Begeisterung ist, die mich antreibt, sondern die Angst vor Bestrafung.
Ein Aspekt, den ich noch erwähnen möchte, ist der KLV-Bogen.
Zur Zeit ersatzlos weggefallen, musste ich ihn einige Monate lang zeitaufwendig (täglich min. 15 Minuten) ausfüllen. Ausfüllen bedeutete aber, lügen ohne gleichen; ist KLV doch der Kosten-Leistungs-Vergleich. Theoretisch war es zwar möglich, Zeit in der Rubrik Warte- und Stillstandzeit zu buchen, da diese Bögen aber über den Teileinheitsführer und den Spieß gingen, hatte man den Anschiss sicher wenn man dies tat, gleichzeitig wurde man um diesen Stillstandszeiten vorzubeugen haufenweise mit ABM belegt.
So buchte man artig Pausen als "soziale Aktivitäten" und rechnete alles schön, und le voilâ: Eine Statistik die schon von Anfang an geschönt ist.
Wieder einmal die Gute Miene zum Bösen Spiel. Dazu passt, dass ich niemals eine Konsequenz aus diesen KLV-Blättern gesehen habe, alle dreifach belegten Stellen blieben erhalten etc.
Das dieser KLV seit mehreren Monaten ruht, ist irgendwie auch interessant, vermutlich waren die Ergebnisse immer noch unvorteilhaft so dass unter einem fadenscheinigen Grund die Arbeit "vorrübergehend" eingestellt wurde.
Vor kurzem habe ich mich mit einem Kameraden, der schon in der Grundausbildung in meiner Stube geschlafen hat, über den Vorher-Nachher-Effekt unterhalten.
In der Zeit, in der die Entscheidung fiel, den Wehrdienst dem Zivildienst vorzuziehen, wurden wir durch ein Bild der Bundeswehr beeindruckt, was sich beispielsweise durch die Werbeclips im Kino/Fernsehen an uns heran trug. Beeindruckt von den dutzenden Anekdoten wollte man herausfinden, was da wirklich dran ist. Man wollte was erleben, weg von zu Hause, Action, Spaß, Lagerfeuer und auch ein bisschen Krieg spielen.
Jetzt, zum Ende des Wehrdienstes, haben wir beide, die in etwa die selbe Vorstellung hatten, uns an diese damaligen Vorstellungen erinnert.
Uns fiel recht bestürzt auf, das alles was wir erwartet haben sich nun umgekehrt hat.
Krieg, das bemerkten wir in der Grundausbildung, ist grausam und wir hätten - mit unserer Ausrüstung - keine Chance lange zu überleben.
Auch wenn sich die Ausbilder sich bemühten, uns diese Erkenntnis durch Geschrei, übertriebene Disziplin und körperliche Erschöpfung vorzuenthalten, bemerkten wir doch dass man Krieg nicht spielen kann, auch wenn eine Übung "Brüllender Löwe" heißt und das G3 "Hauswände zersplittern lässt".
Das Standort-Grillen war für mich nervige Pflicht, von der ich mich so schnell als möglich absetze um nach Hause zu fahren, von Lagerfeuer-Romantik keine Spur.
Spannende Momente gibt es für mich allenfalls beim Suchen von Gleitschutzketten oder beim unrasierten Antreten zur Rasurkontrolle.
Ich will am liebsten Montagmorgen schon wieder nach Hause.
Erleben tue ich alle 4 Monate mal ein Besuch einer Schießanlage, wo man 10 Schuß mit einer Pistole die älter ist als man selbst auf den Pappkameraden abgibt.
Man findet heraus, dass viele Klischees von denen mein Opa berichtet noch heute anzutreffen sind, es werden die selben Witze erzählt die schon mein Opa im Krieg erzählt hat und man verdrückt sich vor unangenehmen Arbeiten wie es schon junge Männer vor Generationen getan haben.
Dies hat nichts, aber auch gar nichts mit den Action geladenen, vor High-Tech, Motivation und Guter Laune nur so schillernder Werbe-Clips des Bundesverteidigungsministeriums zu tun. Erneut drängt sich mir das Stichwort "Realitätsverzerrung" auf.
Auch die Aussagen in diesen Clips, die sporadisch an langweiligen Freitagen auf Uralt-Videorekordern und Uralt-Fernsehern gezeigt werden, sind in meinen Augen so etwas von falsch das es mir kalt den Rücken herunter läuft:
"Der junge Wehrdienstleistende stellt kritische Fragen in einer modernen High-Tech Armee."
Da ist so armselig, denn schon am allerersten Tag in der Grundausbildung stellt man ernüchtert fest, das Fragen oder gar Verbesserungsvorschläge (gelinde gesagt) "unerwünscht" sind, was erlaubt man sich auch jahrzehnte alte Abläufe zu kritisieren. Mein modernstes Gerät war übrigens eine Schreibmaschine und ein Faxgerät, welches lediglich eine Seite pro Sendung empfangen konnte...
Mir wurde deutlich gemacht, dass eigene Qualifikationen während des Wehrdienstes tunlichst nicht anzuwenden sind.
Und wenn ich dann während der Musterung angekreuzt habe, dass ich PC-Kenntnisse habe, schließt das doch nicht automatisch ein dass ich darüber Urkunden habe, aber ohne Urkunde, das ist ja klar, kann ich auch keine Kenntnisse haben.
Oh man Bundeswehr, was soll ich dazu sagen? Wenn schon der Chip in meiner Grafikkarte vermutlich mehr Rechenoperationen als der Bordrechner von einem Roland durchführen kann, wenn dem Rechtsberater des Geschwaders beim Überprüfen meiner ultrabösen und vaterlandsverräterischen Homepage nicht klar ist was ein "Link" ist, wenn ich einen Ausbildungsplatz als Mediengestalter für Digital-/Printmedien habe, dann kann ich leider nur ungläubig den Kopf schütteln wenn Ihr von mir eine Urkunde über meine PC-Kenntnisse verlangt.
Es tut mir auch leid, dass es mir trotz meiner PC-Kenntnissen auf einem Windows 3.1 (!) PC nicht sofort gelingt, Buchrücken für einen Aktenordner zu erstellen, zu mal aufgrund sehr seltsamer Admin-Rechte Vorlagen nicht gespeichert werden können etc.
Außerdem, wofür all diese Nachweise?
Die Urkunde über die erfolgreiche staatliche Prüfung zum Funkamateur bei der Post- und Regulierungsbehörde Eschborn konnte ich schon bei der Musterung vorlegen, und was ist passiert ? Logischerweise bin ich einer von ganz wenigen die NICHT zum Roland-Funker ausgebildet wurden.
Steckt da eine Angst dahinter, ich könnte eventuell etwas besser als ein Vorgesetzter, hätte (denn ich habe sie) bessere Funk-Technik als sie die Bundeswehr hat?
Diese Ungereimtheiten stellen die Bundeswehr in meinen Augen in ein unvorteilhaftes Licht und machen sie unattraktiv für den jungen, begabten und durchaus motivierten Mann der seinen Wehrdienst ableisten will.
Ende Teil 6 - Seitenanfang
Finanzen
Es ist mir klar, dass der Staat mich als Arbeitskraft billig für einen zeitlich begrenzten Raum einplant. Trotzdem habe ich mich während der letzten Monate oft unterbezahlt gefühlt.
Ich zeige hier nun warum:
Im Monat Juni finde ich auf meinem Kontoauszug DM 583,50 "Bezüge" und DM 129,30 Verpflegungsgeld vor.
Das macht zusammen DM 712,80 für den gesamten Monat. Der Monat Juni hat 30 Tage. Das entspricht einem Tagessatz von DM 23,76, als Obergefreiter wohlgemerkt. Später kommen ggf. nochmals 150 Mark Durchhalteprämie hinzu.
Im Monat Juni findet das Wilhelmstraßenfest in Wiesbaden statt. Ich habe dort als Aushilfe im Hotel Nassauer Hof eine Handlangerarbeit gemacht und dafür gut DM 18 pro Stunde erhalten. Dort erarbeitete ich also innerhalb von knapp 80 Minuten einen TAGESsold der Bundeswehr.
Daraus kann ich schließen, dass ich
- vom Dienstherrn in die Qualifikation "Hilfsarbeiter/Handlanger" eingestuft werde,
- die vom Dienstherrn erhaltene Qualifikationen (Funker, Kraftfahrer o.ä.) nicht vergütet bekomme und
- vom Dienstherrn grandios unterbezahlt werde.
Was ist das Resultat, was ist die Konsequenz die ich aus dieser Erkenntnis ziehen soll?
- Am Tag maximal 80 Minuten Arbeiten der Qualifikation "Hilfsarbeiter/Handlanger" erledigen
- Entsprechend weniger Arbeiten die denen eines Facharbeiters entsprechen (Kfz-Mechaniker, Kaufmann) bewältigen
- Nach Erreichen des Pensums, das vergütet wird, stelle ich die Arbeit ein.
Leider war ich inkonsequent, denn wenn ich auf die vergangenen Monate zurückblicke, stelle ich fest dass sich unbezahlte Überstunden in großer Zahl aufgehäuft haben.
In meiner großen Güte verrechne ich meinen LKW-Führerschein mit diesen Überstunden.
Mein Dienstherr sollte jedoch bedenken, dass Wehrdienstleistende ohne LKW-Führerschein o.ä. irgendwann ihre ausstehenden Vergütungen einfordern könnten...
Resümierend betrachtet ist also auch die miserable Bezahlung Grund für die mangelnde Motivation die mir des öfteren vorgeworfen wurde.
Ende Teil 7 - Seitenanfang
Vorgesetzte
War die Vorbildfunktion in der Grundausbildung in meinen Augen dubios (ich habe in der 4./LAR1 - vom Zugführer einmal abgesehen - nur Vorgesetzte angetroffen, die Probleme mit ihrer Persönlichkeit hatten und dies durch andauerndes Schreien und Verteilen von recht sinnlosen Aufgaben kundgaben), war dies in Kemel, Schöneck und Birkenfeld anders.
Durch von "ansatzweise menschliche" bis "väterliche" Charaktere sah ich Vorgesetzte nach der Grundausbildung differenzierter.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass durch das teilweise Wegfallen der Grußpflicht eine deutlich entspanntere da eher freundschaftlich als gezwungen kameradschaftliche Atmosphäre geschaffen wurde.
Dies trägt meines Erachtens zu einer verbesserten Kommunikation durch alle Dienstgradschichten bei, woraus wiederum eine gesteigerte Effektivität resultiert.
Wenn es möglich ist, sich mit einem Offizier genauso angeregt wie mit einem Gefreiten zu unterhalten stimmt das Betriebsklima. Darüber bin ich erfreut.
Offizier Xxxxxx ist mit Abstand der beste (einzige?) Offizier in Sachen freundlicher Kameradschaft, den ich kennen gelernt habe. Für einen solchen Offizier / Vorgesetzten führe ich gerne und ruhigen Gewissens Befehle aus; hier ist es die Begeisterung die mich motiviert und nicht die Angst.
Wenn ich als Wehrdienstleistender erkenne, dass ich eine sinnvolle Arbeit erledigen soll, ist von meiner Seite die Akzeptanz gegeben dies zu tun.
Erkenne ich jedoch, dass der Befehl eine Arbeitsbeschaffungsaufgabe ist (Schleppdachparkplätze fegen, Sauna schmirgeln, Fahrzeug waschen welches seit letzter Wäsche nicht bewegt wurde) sinkt meine Motivation erheblich.
Ich sehe dabei das Risiko, dass ich als Wehrdienstleistender nicht mehr den Unterschied zwischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und sinnvoller Aufgabe erkennen kann.
Dazu kommt, dass die Bundeswehr ihrem Slogan "Eine starke Truppe" nicht gerecht wird.
Eine starke Truppe; in meinen Augen der Werbeslogan für Teamwork. Das würde aber Gleichverteilung der Arbeit bedeuten, die de facto aber sehr selten eingetreten ist.
In der Grundausbildung hatte es sich scheinbar unter den Offizieren herumgesprochen das einige Gruppenführer es wohl manchmal etwas dolle trieben mit Befehl und Gehorsam. Daher teilten Sie uns mit, dass der Vorgesetzte nur Befehle geben darf, die auch er selbst ausführen kann. Das war eine gute Idee, so musste auch unser eher kräftiger Gruppenführer über die Hindernisbahn. In den Stammeinheiten war diese Regelung scheinbar ins Hintertreffen geraten, denn ich kann mir nur schlecht einen Feldwebel vorstellen der das Schleppdach fegt, wenn ein starker Wind weht und am nächsten Tag alles so aussehen wird wie zuvor...
Ende Teil 8 - Seitenanfang
Revierreinigen
Noch ein Gedanke zur Dienstgestaltung, also dem andauernden Putzen.
("Was ist denn hier für eine Unordnung? Hol' mal ein paar W10er und lass sie den
Dreck wegmachen.")
Das Revierreinigen ist in meinen Augen meistens überflüssig gewesen.
Oftmals wurde der saubere Flur nass gewischt, so dass danach Wasserflecken zu
sehen waren.
Diese mussten dann erneut weggemacht werden, alles wurde "dreckig geputzt" bis
es Arbeit ergab.
Für mich als Heimschläfer war es ohne hin schon nervig denn Dreck anderer
wegzumachen, und dazu kommt dass auch die Unteroffiziere in unseren Duschen
Körperpflege betreiben aber niemals beim Reinigen helfen, im Gegenteil, da wird
der letzte Wasserfleck auf der Fliese gesucht und dann muss es wie im 5 Sterne
Hotel glänzen, obwohl einmal duschen alles wieder so aussehen lässt wie zuvor.
Negativ sind mir hierbei zwei Unteroffiziere aufgefallen, diese
beiden verlangten regelmäßig am Donnerstag Nachmittag sehr übertriebene und
unnötige Reinigungsaktionen (Unkraut aus dem Gebüsch, angeblichener Schmutzfilm
in den Nasszellen) von mir ohne dabei selber auch nur einen Finger krumm zu machen.
Dies ging soweit dass mich der eine Unteroffizier aus dem GeZi in den Block 6 holte um mich dort den Staub auf dem Griff einer Kübelspritze entfernen zu lassen. (!)
Als ich ihn darauf ansprach warum er dies denn nicht selber gemacht habe
(Reinigungsaktion dauerte wenige Sekunden) und somit den Weg ins GeZi gespart
hätte meinte er "dazu sind W10er da".
Dies ist eines von vielen beispielhaften Vorfällen. In meinen Augen missbrauchen
diese beiden Unteroffiziere ihren Dienstgrad.
Sie stellen eindrucksvoll dar wie sie der "Führungsqualität" eines deutschen
Unteroffiziers gerecht werden.
Sie zeigen ebenso beispielhaft wie sie mit ihrem Verhalten in der freien
Wirtschaft versagen würden.
Der Dienstplan mit dem allwöchentlichen mehrstündigen Reinigen erfordert aber
gewissermaßen solch unsinnige Aktionen, da der Zeitraum des Reinigens um ein
vielfaches zu lang ist.
Ich wünsche mir dass diese wirklich übertriebene Reinigung auf ein realistisches
Maß herunter gesetzt wird und dass diejenigen die die Reviere dreckig machen
diese auch selber reinigen.
Ich wurde oftmals von Freunden gefragt was denn meine Aufgabe beim Bund sei
außer dem Bürokram, da war meine einzige Antwort stets "Putzen, Putzen und
Putzen."
Ob dies meinen Freunden Anreiz gibt zur Bundeswehr zu gehen?
Ende Teil 8,5 - Seitenanfang
Verbesserungsvorschläge:
"Willst du Butter von den Behörden, schicke Milch auf den Dienstweg!"
Obwohl es mir als W10er natürlich nicht möglich ist, die Lage der Bundeswehr in ihrer umfassenden Komplexität objektiv zu erfassen, möchte ich doch meine Ideen präsentieren, die zwar recht utopisch da schwer realisierbar sind, aber ich will mir nicht vorwerfen lassen keine konstruktive Kritik anzubringen.
Grundlage aller Veränderung sollte eine grundlegende Modernisierung der Infrastruktur in vielen Bereichen, insbesondere im Bereich Administration und Logistik, sein.
Dies bedeutet zwar eine anfängliche hohe Investition, die aber aufgrund der resultierenden Effektivitätssteigerung wieder relativiert wird. Einen Schwerpunkt würde ich auf das bereits existierende Intranet setzen. Wenn konsequent alle PCs an dieses Netz angeschlossen würden und über elektronische Datenbanken Abläufe geplant, realisiert und aktualisiert werden würden sich
a) die Geschwindigkeiten des Dienstweges ohne weiteres verhundertfachen,
b) Abläufe wie Übungen, Kommandierungen etc. zentral koordiniert und beobachtet werden und
c) das Logistiksystem, was scheinbar bereits in Pilot-Projekten im Zuge der Neustrukturierung teilweise realisiert wird, kann effektiv über etliche Ebenen hinweg gesteuert werden. Konkret bedeutet dies banal gesagt, dass nicht jeweils ein Laster der Luftwaffe, ein Laster des Heeres und ein Laster der Marine zum gleichen Zeitpunkt den selben Weg nach München fahren müssen sondern eben nur lediglich ein Laster, zumal ich niemals von einer "100 Prozent Auslastung" von Bw-Systemen gehört habe.
Diese Ideen lassen sich beliebig fortsetzen, jedoch ist es meines Erachtens dabei ernorm wichtig an die altertümlichen Strukturen innerhalb der Bundeswehr zu denken.
Das beginnt schon damit, dass die Herren die einen entsprechend hohen Posten bekleiden um eine solche Modernisierung zu befürworten von Computern, Netzwerken und deren Effektivität keinen blassen Schimmer haben.
Dies erfordert den Beginn einer entsprechenden Diskussion, in der Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit von hoher Qualität unbedingte Grundlage ist.
Wenn ich daran denke, wie viel Arbeit sich allein der Innendienst - und der Steuerzahler Kosten - gespart hätte, wenn all die Änderungsmeldungen (Formular "Streiche "Musterstr." und setze dafür "Musterstraße" Dienstsiegel Unterschrift") einfach online zwischen Schöneck und Kemel abgeglichen worden wären, wenn all die oft Monate verspätet eintreffenden Kommandierungen sofort auf den PC des TE-Führers transportiert würden, wenn die Befehle nicht dutzende Male maschinell kopiert sondern per Knopfdruck beliebig oft völlig resourcenschonend digital vervielvältigt werden und automatisch den entsprechenden Verteiler durchlaufen würden, wenn TE-Führer in kritischen Situation auf im Intranet verfügbare "Blackboards", auf denen etliche Erfahrungen anderer TE-Führer verfügbar sind, zurückgreifen und dies zur Entscheidungsfindung nutzen könnten, dann ist das System leistungsfähiger und auch effizienter geworden [...].
Eine Vision, eine Utopie?!
Ich hege dabei auch die Vermutung, dass die Bundeswehr bewusst die alten, langsamen Strukturen sowohl aus Bequemlichkeitsgründen als auch aus Dienstpostengründen bewahrt.
Ein solch effektives System würde nämlich etliche Posten in der Verwaltung, der Logistik und einigen anderen Bereichen in schwere Legitimationsdiskussionen stürzen.
Und der Wehrdienstleistende, der den Tag am Kopierer verbringt, könnte sich endlich ganz auf das Waschen gewaschener Fahrzeuge konzentrieren.
Es würde nämlich von heute auf morgen Platz, besser gesagt "Spielraum" für neue Tätigkeiten geben. Plötzlich sind die ersten zehn Tage der Grundausbildung nicht mehr mit Papierkrieg sondern mit Ausbildung verplanbar.
Dies ist meiner Meinung nach ein großer Pluspunkt, muss sich doch das System nicht mehr anstrengen, sich selbst zu verwalten, sondern es hat Platz für neue und motivierende Aufgaben gefunden.
In einer solchen Bundeswehr würde ich gerne meinen Wehrdienst ableisten, vielleicht würde ich sogar herausfinden, das ein Werbeclip, der von High-Tech und selbstbewussten Wehrdienstleistenden spricht, keine Falschaussage sein muss.
In Anbetracht dessen, dass unsere Staffel lediglich über einen einzigen PC verfügt, der an das Intranet angeschlossen ist und dieser PC nicht ohne weiteres zugänglich ist, wird meiner Utopie aber ein gehöriger Dämpfer gesetzt.
Ich für meinen Teil hoffe, dass die Bundeswehr einen Weg aus der Selbstbeschäftigung aufgrund überholter Infrastruktur/Bürokratie findet, weil ihr dann durchaus eine interessante Zukunft bevorstehen kann.
Ende Teil 9 - Seitenanfang
Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit
Das Bild der Bundeswehr ist in den Zeiten, wo partout kein potentieller Gegner aufzufinden ist, aus Legitimationsgründen sehr wichtig. Daher wurde bei uns täglich die Rasur, der Schuhputz und die Kleiderordnung kontrolliert, Mängel wurden dabei nicht geduldet.
Alles was in der Kaserne eher locker gesehen wurde, musste "draußen", also einen Schritt vor dem Kasernentor, dafür umso stärker beachtet werden. Dazu zählt z.B. die Kopfbedeckung, unser modisches Tarnkäppchen, aber auch ein diszipliniertes Auftreten.
Geburtstag oder geradezu selbstmörderische Gedanken muss man haben, wenn man beide Hände gleichzeitig in die Hosentaschen steckt. Das ist nämlich zu offensichtlich, zeige ich es doch zu deutlich: Ich habe nichts zu tun.
Daher musste ich mir unzählige Male dumme Sprüche à la "Wenn Ihnen die Eier platzen, nehmen sie die Hände aber weg, oder?" oder aber einen Anschiss anhören.
Dies betrachte ich symbolisch für die gesamte Situation: Wieder diese Realitätsverzerrung, es gibt wenig bis nichts zu tun, aber dies darf unter keinen Umständen deutlich werden, schon gar nicht in der Öffentlichkeit, weil dann die Legitimation in Frage gestellt wird.
Das einzige Mal, wo meiner Meinung wirklich gearbeitet wurde, war die Aktion Standortfest.
Hier kamen Zivilisten, eventuell sogar potentielle Soldatenanwärter, da musste man sich im passenden Licht präsentieren. Plötzlich interessierte es den Chef, wer in diesem Zeitraum Urlaub nimmt.
Hauptsache, das Bild stimmt.
Ende Teil 10 - Seitenanfang
Eine Essenz aus Bundeswehrzeitschriften
In den letzten Wochen habe ich in der aktuellen Presse Beiträge zum Thema Wehrdienst gelesen, in denen sich meine Stimmung spiegelte. Beispiele:
Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes 7/2001
Bericht zur Tagung der Grundwehrdienstleistenden des Landesverbandes auf Seite 37
"Die teilweise phantasielose Gestaltung des täglichen Dienstbetriebes, nur technischer Dienst, Sport und Reinigungsarbeiten im Bereich der Unterkünfte erscheint den Wehrpflichtigen vielfach als planlos (...)"
"Befremdend sei auch die unterschiedliche Handhabung bei der Gewährung von Dienstzeitausgleich." (...)
"Weiterhin bemängelten die Tagungsteilnehmer, dass die beruflichen Qualifikationen für eine Verwendung in den Dienststellen nicht genutzt werden." (...)
"In der anschließenden Diskussion wurde die Einberufungspraxis der Kreiswehrersatzämter angesprochen. Zusagen würden oft nicht eingehalten und Wünsche nicht berücksichtigt." (...)
In der Wochenzeitschrift "aktuell" der Bundeswehr vom 9.7.01 findet sich ein Bericht einer Podiumsdiskussion zum Thema "Welche Ethik braucht der Soldat?"
"Die Bundeswehr dürfe sich nicht als Tummelplatz für Haudegen und Abenteurer verstehen. Sondern intelligente und sensible Menschen seien gefragt. Vorgesetzte müssen hier Vorbild sein. "(...)
Anmerkung: Die (wenigen) Soldaten die ich kenne auf die diese Anforderung zutrifft haben eine Gemeinsamkeit, nämlich schnell die Jahre abzusitzen um dann diese Bundeswehr zu verlassen. Sie erkennen, dass sie in der freien Wirtschaft erfolgreich sein können.
Der Rest, der wohl in der freien Wirtschaft arge Probleme hätte (Stichwort Teamwork/ ergebnisorientierte Arbeit) verbleibt der Bundeswehr und diese Menschen sind dann meine Vorgesetzten...
"Das Herz dürfe bei ihnen nicht zu kurz kommen. Und diese gewönnen nur Vertrauen, wenn sie eine freie Aussprache akzeptierten, ohne gleich in Furcht zu geraten, dass die Grenze zwischen Befehl und Gehorsam aufgeweicht würden."(...)
Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes 6/2001 in der Rubrik "Für Wehrpflichtige"
Obergefreiter Arne Geest zieht eine ernüchternde Bilanz zum Ende seiner Dienstzeit
(...) "In einigen Fällen stehen die Motivationslosigkeit der Truppe und die mangelhafte Umsetzung des Soldatenbeteilungsgesetztes einander direkt gegenüber und der Zusammenhang wird trotzdem nicht erkannt oder aus unerfindlichen Gründen schlichtweg ignoriert." (...)
"Wie soll jemand als Wehrdienstleistender von seinem Wehrdienst berichten, wenn keine der für ihn anfallenden Aufgaben sein Dasein zu rechtfertigen scheint?" (...)
"Der Wehrpflichtige hat vielleicht zehn für ihn unbefriedigende Monate hinter sich, er ärgert sich über die vertane Zeit. Der Bundeswehr hingegen entgeht die Chance, den dringend benötigten qualifizierten Nachwuchs für sich zu gewinnen. Zum einen verlässt wieder ein Soldat die Truppe, zum anderen bewegt dieser aufgrund seiner negativen Erfahrungen möglicherweise" (mit Sicherheit!) "andere, Zivildienst abzuleisten. (...Schneeballeffekt...)"
"Das Soldatenbeteiligungsgesetz ist nicht dazu gedacht, Vorgesetzte in ihren Befugnissen zu beschneiden, sondern soll dazu dienen, dass innerhalb der Bundeswehr ähnlich wie in einem zivilen Unternehmen miteinander kommuniziert wird. Nur so kann eine moderne demokratische Armee funktionieren. Befehl und Gehorsam sind in der heutigen Zeit nicht mehr ausreichend."
Ende Teil 11 - Seitenanfang
Abschließend
Mein Dank geht an:
a) Alle, die dafür sorgten, dass ich in Kemel gelandet bin
b) Dem Innendienst der 3. und 5. Kemelaner Staffel, es war schon lustig
c) Der gesamten 5. Staffel, der Zufall (?) kommandierte mich in die richtige Staffel
d) Alle, die mir Möglichkeiten zur Selbstständigkeit gelassen haben
e) Denjenigen, der das Heimschläfertum genehmigte
f) Den alten Spieß, der den BCE-Lehrgang "durchboxte"
g) Die Truppenküche für gutes Essen (no fake)
h) Den Steuerzahler, der dies alles bezahlte
i) Alle Wehrdienstleistende, die diese Zeit mit mir überstanden haben
j) Das Internet, da die Bundeswehr dieses nicht kontrollieren kann und so eine Quelle für junge Menschen verfügbar ist, in der keine Schönmalerei befohlen werden kann, in der keine Zensur stattfinden kann und eine Aufklärung betrieben werden kann, die die Bundeswehr evt. einer Nachwuchsgewinnungskrise oder aber einer echten Reform näher bringt.
10 Erkenntnisse, auf die ich nach dem Wehrdienst zurückgreifen werde:
1. Hierarchien / Befehl und Gehorsam können einen negativen Einfluss auf die Effektivität haben.
2. Im Ernstfall ist es die Bundeswehr, die versucht den Feind aufzuhalten, bis eine richtige Armee kommt.
3. Unsere Steuergelder werden eingesetzt, um gewaschene Fahrzeuge zu waschen.
4. Propaganda heißt heute Informationspolitik und dient der Nachwuchswerbung.
5. Bundeswehr kann sehr verschieden sein.
6. Bundeswehr kann auch lustig sein.
7. Kemel war "das Glück im Unglück".
8. Pünktlichen Dienstschluss werde ich wohl zuletzt bei der Bundeswehr gehabt haben.
9. Die Zukunft der Bundeswehr liegt in einer modernen Infrastruktur.
10. Momentan ist der Zivildienst dem Wehrdienst vorzuziehen.
Abschließend:
Ich denke nicht, dass mein Bericht etwas verändern wird.
Ich setze jedoch meine Hoffnung in denjenigen Leser, der nun, nachdem er meinen Bericht gelesen hat, einen neuen Aspekt gewonnen hat und diesen in seiner Art, Dinge zu beurteilen, integriert und vielleicht sogar durch eine variierte Handlungsweise umsetzt.
Allein aus diesem Grund habe ich diesen Text verfasst.
verfasst von Jan Kretschmer
Abgänger am 31.08.01
Ende letzter Teil - Seitenanfang
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Erfahrungsbericht-Disclaimer
Dieser Erfahrungsbericht ist für jeden frei zugänglich. Dieser Bericht beinhaltet keine Namen, keine Dienstgrade, keine Interna und keine anderen, der Öffentlichkeit unbekannten Dienstabläufe. Dieser Bericht stellt ausdrücklich und ausschließlich meine eigene Meinung dar. Ich veröffentliche meinen Erfahrungsbericht unter Berufung auf die verfassungsrechtlich zugesicherte freie Meinungsäußerung. (§ 5 GG)
Ich bin ausdrücklich damit einverstanden, dass dieser Text beliebig oft vervielfältigt und benutzt werden darf, solange der Inhalt nicht verändert wird und dieser Hinweis bestehen bleibt.
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